Die wunderbare Welt der Fachbegriffe

„Gibt’s bei Ihnen vielleicht ein Leerrohr?“, fragte der Elektriker. Ich ließ mir das Wort auf der Zunge zergehen. Hm, ein Leerrohr. Dann fiel mir ein, dass ein anderer Handwerker mal (leider ganz woanders) ein ebensolches gelegt hatte: für eventuell später mal nötige Kabel. Der kluge Mann sorgt vor – mit einem Leerrohr!

Fachsprache fasziniert mich. Als Texterin und Lektorin begegnet sie mir immer wieder. Manchmal erscheint mir eine Formulierung falsch. Verbräuche? Ja, in der Energiebranche sagt man das so. Genau wie es in der Lebensmittelbranche Biere und Wässer gibt.

Jede dieser Fachwelten hat ihren ganz eigenen Charme. Eine befreundete Architektin und Kundin zeigte mir mal ein Angebot – ich verstand nur Bahnhof. Naja, Hauptsache, die Konterlattung ist richtig aufgeflext. Ein Aufschiebling sitzt jedenfalls nie auf einem Kehrsparren, habe ich gelernt. Noch ein paar hammermäßige 😉 Begriffe vom Bau gefällig? Ausluchtung, Biegesteifigkeit. Einige eignen sich sogar bestens als Schimpfworte: Du Hohlpfanne! Knickhelm! Pappdocke!

Im Kürschnerhandwerk ist von Gralle, Grotzen und Pumpf die Rede. Ein Schelm, wer da an Hurz! oder Dada denkt. Und irgendwie kann man am Klang dieser Worte erahnen, dass es in diesem Handwerk nicht ganz gewaltfrei zugeht.

In der Finanzwelt wird abgezinst, was das Zeug hält. Mich begeistert die Dynamik, die hinter solchen Begriffen hervorlugt: Holla, jetzt wird mal richtig abgezinst! Oder hieß es aufgezinst?

Auch in Fachsprachen gibt es falsche Freunde (ich erinnere an das  russische Bifschteks oder das italienische regalo). Als ich in meinem Anwaltsseminar zu verständlichem Schreiben (ja, genau! 🙂 ) auf das Wort regelmäßig stieß, war mir erst nicht klar, dass das nicht „in gleichmäßigen Abständen wiederkehrend“ bedeutet. Auch eine der anderen vielen Bedeutungen von regelmäßig war nicht gemeint. Vielmehr meinen Jurist*innen damit so etwas wie „regelhaft, der Regel gemäß“.

Das schöne deutsche Wort grundsätzlich bedeutet in der juristischen Fachsprache nicht etwa „immer“, sondern „im Prinzip ja, Ausnahmen sind möglich“. Nicht ohne Grund sagt man Anwält*innen nach, ihr Lieblingssatz sei „Kommt drauf an.“ 😉

Fachsprache sorgt also immer wieder für Überraschungen – und das eine oder andere Grinsen.

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